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KAB Diözesanverband Eichstätt

Interview zum Mindestlohn

Alles was Sie jetzt über den Mindestlohn wissen müssen

Fragen an die KAB-Bundesvorsitzende Regina-Dolores Stieler-Hinz und die KAB-Rechtsreferentin für Arbeits- und Sozialrecht Sabrina Schmalz

Gefährdet der Mindestlohn den wirtschaftlichen Aufschwung?

Regina-Dolores Stieler-Hinz: Definitiv nein! Das Gegenteil ist der Fall. Denn mehr Geld in der Lohntüte bedeutet auch mehr Kaufkraft. Und davon profitiert ja gerade die Wirtschaft. Was allerdings geschmälert wird, sind die Profite jener Unternehmen, die Menschen zu Dumpinglöhnen ausbeuten und sie ganz bewusst in die Sozialsysteme drängen. Die Zeche für die sogenannten "Aufstocker" zahlt bislang die Allgemeinheit. Auch ist das US-amerikanische Phänomen  der "working poor" - also Menschen die zwei, drei oder vier Jobs gleichzeitig annehmen müssen - längst auch in Deutschland und anderen EU-Ländern angekommen. 

Lobbyvertreter von DIHK und BDA, aber auch Politiker der CDU/CSU machen jetzt zum Jahreswechsel erneut massiv Stimmung gegen den Mindestlohn. So beschwört DIHK-Präsident Eric Schweitzer den Verlust von 200.000 Arbeitsplätzen  in Deutschland.  

Stieler-Hinz: Das ist doch pure Spekulation, nicht zuletzt um alle, die für den Mindestlohn gekämpft haben, in Misskredit zu bringen. Sozialverbände wie die KAB haben lange gebraucht, bis die Politik unsere Forderung aufgegriffen hat, Arbeitnehmer in Deutschland fairer zu entlohnen. Schon bei unserem jahrelangen Kampf um angemessenere Löhne hat die KAB beobachtet, das sich der Billiglohnsektor immer weiter ausgebreitet und die Politik tatenlos zugesehen hat. Schlimmer noch: die Regierung sogar noch Unternehmen gefördert hat und weiter fördert, die auf der "Billigschiene fahren wollen", nämlich durch die  Erhöhung der Verdienstgrenze bei 400 Euro Jobs  auf 450 Euro. Damit werden natürlich auch die Arbeitslosenstatistiken aufgehübscht.   

Sabrina Schmalz: Selbst der Arbeitgeber-Präsident Ingo Kramer räumt ja ein, daß man gar nicht sagen kann, wie viele Jobs verloren gehen. "Wenn man zehn Volkswirte fragt,  bekommt man zwölf Antworten.", so Kramer. Ich rate daher gerade den Wirtschaftvertreten, sich mit haltlosen Mutmaßungen zurückzuhalten oder stichhaltige Zahlen vorzulegen. Es kann aber auch sein, dass die Lobbyisten mit ihrer Kampagne schon erste Vorbereitungen treffen wollen, um für unter dem Mindestlohn  "leidende" Betriebe im kommenden Jahr staatliche Beihilfen einzufordern. Wir sagen: Wer seinen Angestellten nicht ein Lohn-Mindestmaß zur Sicherung seines Lebensunterhaltes gewähren will, hat in einer sozialen Marktwirtschaft nichts verloren. Man kann hier durchaus auch  von einer Marktbereinigung mit sozialem Vorzeichen zugunsten von Arbeitnehmern und unserem Sozial-Staat sprechen. 

Der Mindestlohn kommt ja jetzt und Sie sind endlich zufrieden! 

Stieler-Hinz:
 Was Arbeitnehmerechte  angeht, dürfen wir nie zufrieden sein und uns ausruhen. Dieser Mindestlohn ist nur ein Einstieg!  Wir dürfen nicht vergessen, dass 8,50 Euro immer noch einen Niedriglohn darstellen. Bei einer 40 Stunden Woche macht das 1473 Euro brutto - damit kommt man so gerade eben über die Runden und rutscht nicht in die Armut ab. Das war´s aber auch. Wir kämpfen daher weiter für eine Lohnuntergrenze von 9,70  Euro pro Stunde. Und diese wird auch kommen! 

Immerhin wird durch den Mindestlohn der Altersarmut entgegengewirkt durch mehr und  höhere Rentenbeiträge.  


Schmalz: 
Unsere KAB-Versichertenberater, die ehrenamtlich bei Renten- und Versorgungsfragen beraten, berichten uns ständig von verzweifelten Menschen. Die werden trotz  langjähriger und regelmäßiger Arbeit im Alter am Hungertuch nagen, wenn sie nicht zusätzlich zur gesetzlichen Rente durch die Sozialämter finanziell irgendwie aufgefangen werden. An den privaten Zusatzversicherungen zur gesetzlichen Rente  wie Rürup, Riester und wie sie alle heißen, profitieren Versicherungswirtschaft und zweifelhafte "Politikberater". 

Die Bürger selbst, die eine solche Zusatzrente abgeschlossen haben, bekommen bestenfalls das zurück, was sie eingezahlt haben. Wenn die Politik die vielen Millionen Vertragsabschlüsse lobt, sollte sie die Statistiken schon genau zitieren, denn viele Verträge werden gar nicht mehr bedient - weil die Menschen schlicht kein Geld dafür übrig haben. Das gilt auch und gerade für die, die jetzt den Mindestlohn bekommen. Und die Zahl der Verträge geht laut einer Postbank-Studie ja auch zurück  - die Menschen trauen diesen "Finanzprodukten" nicht. Solange wir hier also kein wirklich faires Lohngefüge haben, wird die Altersarmut weiter steigen. 

Daher kämpft die KAB ja seit Jahren auch für ein solidarisches Rentenmodell! 

Der Mindestlohn ist gesetzlich vorgeschrieben -aber wird er auch tatsächlich eingehalten?  Und wo gibt es Ausnahmen? 

Schmalz: Der Mindestlohn gilt nicht bei unter 18-jährigen ohne Berufsabschluss, für Auszubildende und Personen mit Pflichtpraktika, für Praktika unter drei Monaten und für maximal sechs Monate bei Langzeitarbeitslosen, die eine Stelle annehmen. Wir konnten diese  Ausnahmeregelungen nie nachvollziehen und sehen darin eine Diskriminierung von Menschen, die sich nicht dagegen wehren können. Wir fordern daher weiter den Mindestlohn für alle!  

Ein ganz großer Schwachpunkt ist die Kontrolle, ob die Arbeitgeber auch wirklich Mindestlöhne zahlen. Diese Gefahr sehen wir insbesondere bei den Minijobbern: Wir begrüßen zwar ausdrücklich, dass mit der Einführung eines Mindestlohns endlich die monatliche Stundenanzahl von Minijobs wieder begrenzt wird, die Arbeitgeber müssen die tatsächlich gearbeiteten Stunden sogar ab 1.1.2015 dokumentieren...es bedarf aber effizienter Kontrollen!

Stieler-Hinz: Wenn wir an all die Auswüchse am Arbeitsmarkt denken wie Dumpinglöhne, Scheinselbständigkeit, befristete Beschäftigungsverhältnisse oder Berufsanwärter und Studenten in der unbezahlten Praktikumsschleife, dann kommen wir doch nicht umhin, uns über eine neue Sichtweise zur Arbeit an sich Gedanken zu machen. 

Für uns heißt das Modell: Tätigkeitsgesellschaft - will heißen:  jede Form des Tuns, die für sich selbst  und andere von Nutzen ist, ist im wahrsten Sinne des Wortes "wertvoll". Auch deshalb haben wir das KAB-Jahresthema für 2015 "Gut Wirtschaften" genannt. 

Schmalz: Für uns als KAB ist auch völlig unverständlich, daß CDU/CSU-Wirtschaftspolitiker behaupten, der  Mindestlohn gefährde Praktikumsplätze. Wer junge und fleissige Menschen als kostenlose Arbeitskräfte mißbraucht, ihnen Hoffnungen macht und sie dann nach mehreren Monaten vor die Tür setzt, um sich einfach eine andere, naive "Praktikumskraft" zu holen, handelt weder seriös noch sozial.

Stieler-Hinz: Natürlich wird es auch Betriebe geben, die versuchen, den Mindestlohn zu unterlaufen - da gibt es ja auch Schlupflöcher, wie ehemals Langzeitarbeitslose nur maximal sechs Monate zu beschäftigen oder Praktikanten nicht länger als drei Monate. Oder Arbeitsverträge auf minderjährige Familienmitglieder umschreiben. 

Wir können nur hoffen, dass diese Chefs bei der zuständigen Finanzkontrolle Schwarzarbeit angezeigt werden oder bei Kontrollen auffliegen und nicht einfach so durchrutschen. Denn die Gefahr besteht, weil die Finanzkontrolle Schwarzarbeit personell  dramatisch unterbesetzt ist. 

Schmalz: 
KAB-Mitglieder können sich übrigens rechtlich beraten lassen zu allen Fragen des Mindestlohns und erhalten im Falle der Notwendigkeit einer Klage gegen den Arbeitgeber auch KAB-Rechtsschutz. 

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