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KAB Diözesanverband Eichstätt

Im Gespräch - Wilfried Wienen

KAB gegen Freihandelsabkommen

Köln, 23. Januar 2015. Wilfried Wienen, TTIP-Experte der KAB, beantwortet Fragen rund um die Freihandelsabkommen, zu Motivation und Vorgehensweisen des katholischen Sozialverbandes, sich dagegen zu engagieren.

 

kab-online: Die umstrittenen Freihandelsabkommen CETA und TTIP stehen in der öffentlichen Kritik und erfahren in der Zivilgesellschaft eine entschiedene Ablehnung. Was sind die Beweggründe für die KAB sich dem anzuschließen?


Wilfried Wienen:
Als KAB sehen wir durch ein solches Freihandelsabkommen die Arbeits-, Sozial-, Produkt- und Umweltstandards in Gefahr. Zum Beispiel hat die USA nur zwei von den acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ratifiziert.

Auch nach der 8. Verhandlungsrunde zu TTIP, die zu Beginn diesen Jahres stattfand, gibt es keine Bewegung bei den Arbeits- und Sozialstandards. In den USA ist eine Ratifizierung der restlichen sechs Kernarbeitsnormen politisch nicht durchsetzbar und scheinbar gibt sich die EU damit zufrieden. Es besteht also die Gefahr, dass die Koalitionsfreiheit und das Kollektivvertragssystem, das Prinzip des gleichen Lohns für Frauen und Männer sowie die Diskriminierung im Arbeitsleben zur Disposition gestellt werden.

Zudem sollen Konzerne bei den Freihandelsabkommen einen Investitionsschutz erhalten und ihnen soll durch private Schiedsgerichte erweiterte Klagemöglichkeiten eingeräumt werden. Wenn Staaten Gesetze verabschieden, wie etwa Umweltschutzmaßnahmen, die Gewinnerwartungen schmälern, könnten ausländische Konzerne zukünftig vor privaten, nichtöffentlich tagenden Schiedsgerichten auf hohe Schadensersatzzahlungen klagen. Die Folgen hätten dann die Bürgerinnen und Bürger zu tragen.
Dieser Weg ist undemokratisch und widerspricht dem Grundsatz einer öffentlichen Rechtsstaatlichkeit.

Als Begründung für TTIP werden seitens der Europäischen Kommission und auch durch die deutsche Bundesregierung ein notwendiges Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze angegeben. Dabei sind die Effekte voraussichtlich eher gering und beziehen sich auf einen langen Zeitraum von 10 bis 20 Jahren. So wird ein leichtes Wirtschaftswachstum von 0,48 % in den nächsten 10 Jahren angenommen. Auch die anvisierten 110.000 neuen Arbeitsplätze entstehen erst in dieser Phase.


kab-online:
Gibt es über diese Sachargumente gegen TTIP und CETA hinaus auch eine grundlegende Motivation für die KAB, die Abkommen abzulehnen?


W.Wienen:
Die bisherigen rund 130 Abkommen, die Deutschland seit den 1950er Jahren abgeschlossen hat, und die über 2000 weltweit ratifizierten Verträge haben zum Ziel, den ökonomischen Austausch zwischen Ländern zu intensivieren. Deswegen hatte die Welthandelsorganisation (WTO) eine immense Bedeutung für die weltwirtschaftliche Entwicklung. Seit dem Stillstand im Abschluss von der WTO geführten Verträgen haben bilaterale Verträge nun den Vorzug.

Mit TTIP wird allerdings eine neue Dimension erreicht. Hier wird über die völlige Abschaffung von Handelsbarrieren verhandelt, die 50 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes und rund 12% der Weltbevölkerung mittelbar betreffen. Zudem wird TTIP für viele Regionen Konsequenzen haben, die nicht mit am Verhandlungstisch sitzen. Da durch TTIP die weltweiten Handelsströme umgelenkt werden, sind für einige afrikanische Staaten schon Einbrüche in ihrer Wirtschaftsleistung prognostiziert.

Trotz aller Geheimniskrämerei wird immer klarer, das CETA und TTIP keine üblichen Freihandelsabkommen sind. Durch viele Paragraphen werden die beteiligten Staaten gezwungen, nur noch eine marktradikale Wirtschaftspolitik zu betreiben. Dazu kommt eine weitere Deregulierung und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und der Sozialpolitik sowie eine Privatisierung der kommunalen Daseinsvorsorge. 

Es muss deutlich gesagt werden: TTIP erfüllt mit seinen grundlegenden Normen die Bedingungen eines Gesellschaftsvertrages. Und darüber verhandeln EU-Beamte und die Wirtschaftslobby. Das ist nicht zu akzeptieren, hier wird die Demokratie mit Füßen getreten.


kab-online:
Von welchen gesellschaftlichen Kräften erhofft sich die KAB Unterstützung im Kampf gegen die Freihandelsabkommen? Die Kirche?


W.Wienen:
Gerade weil TTIP grundlegende Fragen unseres Wirtschaftens betrifft und globale Auswirkungen haben wird, die derzeit einseitig und völlig intransparent durch die Kapitallobby beeinflusst werden, muss sich die Kirche unbedingt zu Wort melden.

Kirche ist aber ein weiter Begriff. In vielen kirchennahen Organisationen findet, wie ich ja für die KAB beschrieben habe, eine breite Auseinandersetzung mit Fragen des Freihandels, mit TTIP, CETA und den anderen Abkommen, die derzeit auf der Agenda stehen, statt. Ebenso eine eindeutige Positionierung zu dieser Thematik.

In vielen Diözesen gibt es Stellungnahmen zum Thema Freihandel. Zu nennen ist hier das Landeskomitee der Katholiken in Bayern. Die Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (COMECE) hat angekündigt, im Laufe des Jahres eine fundierte Stellungnahme vorzulegen, nachdem sie im November 2014 ein Hearing durchgeführt hat. Dabei sind die europäischen Bischöfe zu dem Schluss gekommen, das TTIP reine Handelsfragen übersteigt. Sie sehen hier die Frage nach der europäischen Identität gestellt, wie kann sich diese Identität in der Welt profilieren. Mit Blick auf die kommenden Jahrzehnte, die von einem geringeren oder von einem Null-Wachstum geprägt sein werden, sei es unerlässlich, dass sich, so die Bischöfe, die Europäische Union auf eine nachhaltige Handels- und Wirtschaftsstrategie einigt.


kab-online:
Welche Alternativen hat die KAB zu den Freihandelsabkommen?


W. Wienen:
Zunächst muss man nochmals deutlich sagen: Es ist eine Grundregel der Demokratie, dass völkerrechtliche Verträge demokratisch legitimiert sein müssen. Daher fordern wir die sofortige Einstellung der Geheimverhandlungen, die Offenlegung der Vertragsentwürfe und den momentanen Status der Beratungen. Dieses muss die Grundlage sein für eine Debatte, die vorrangig im Europaparlament, in den nationalen Parlamenten und in der Zivilgesellschaft zu führen ist.

Zweitens: Wir brauchen mehr statt weniger Regulierung. Die Lehre aus bisherigen Freihandelsabkommen ist, dass die sozial Schwachen und die Armen geschädigt werden. Freihandel bedeutet keine „Win-Win-Situation“, auch keinen „Trickle-Down-Effekt“, sondern: was die einen gewinnen, verlieren die anderen. Freihandel vertieft die soziale Spaltung, da er Regelungen zum Schutz der Armen und Ausgeschlossenen außer Kraft setzt und an die Stelle staatlicher Regelungen des sozialen Ausgleichs die Ausgrenzung durch die „Totalität des Markts“ setzt.

Was wir brauchen ist eine gerechte und solidarische Wirtschaftsordnung, die die Bedürfnisse der Armen und Ausgeschlossenen, die Rechte der arbeitenden Menschen und die Bewahrung der göttlichen Schöpfung in den Mittelpunkt stellt. Das Transatlantische Freihandelsabkommen steht dem unvereinbar entgegen. Außerdem verträgt es sich nicht, auf der einen Seite die Bekämpfung des Klimawandels zu betonen und Nachhaltigkeit sowie einen sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft zu propagieren und auf der anderen Seite durch TTIP einen Marktfundamentalismus festzuschreiben. Eine solche Politik nenne ich schizophren.


kab-online:
Welche Aktivitäten betreibt die KAB gegen TTIP?


W.Wienen:
In der KAB findet eine sehr breite, ich möchte fast sagen flächendeckende, Auseinandersetzung mit TTIP statt. Das geschieht vielfach in regionalen Bündnissen mit anderen Organisationen.
Die KAB hat sich sehr früh, nämlich in dem Moment, als bekannt wurde, dass die EU mit den USA hinter verschlossenen Türen über ein bilaterales Freihandelsabkommen verhandelt, dem nationalen Bündnis „TTIP-unfairhandelbar“ angeschlossen. Denn sehr schnell ist eine Diskussion darüber geführt worden, was in Freihandelsabkommen geregelt werden darf und was nicht. Neueste Umfragen zeigen, dass in Deutschland TTIP mehrheitlich abgelehnt wird.
Die KAB arbeitet in der selbstorganisierten europäische Bürgerinitiative „Stopp TTIP“ mit, die ins Leben gerufen worden ist, als die offizielle Bürgerinitiative von der EU-Kommission abgelehnt wurde. Bei „Stopp TTIP“ haben sich fast 400 Organisationen zusammengeschlossen und bisher wurden schon über 1,4 Millionen Unterschriften gegen TTIP gesammelt.


kab-online:
Was sind die nächsten Aktionen?


W. Wienen:
Jede und jeder sollte sich den 18. April 2015 schon mal dick im Kalender anstreichen. Das ist der Termin an dem ein weltweiter Aktionstag stattfinden wird. Auch in diesem Jahr können wir wieder mit dezentralen und kreativen Aktionen zeigen, dass wir mit Freihandelsabkommen wie TTIP, CETA, TiSA und TPP nicht einverstanden sind.

Außerdem findet der Aktionstag in diesem Jahr sogar in einem globalen Rahmen statt, somit können wir weltweit dem Widerstand eine Stimme verleihen.


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