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KAB Diözesanverband Eichstätt

Interview zur Stellungnahme DBK

Zur TTIP-Stellungnahme der Bischöfe

Kab-online im Interview mit Dr. Michael Schäfers, Leiter des Grundsatzreferates der KAB Deutschlands, zur Stellungnahme des berufenen Expertenkreises der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz

Unter dem Titel: „Gerechte Regeln für den freien Handel – Sozialethische Orientierungen für eine Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP)“ veröffentlichte die Expertengruppe am 15. Oktober 2015 eine Stellungnahme zu den laufenden Verhandlungen zwischen der EU und den USA zu einem Freihandelsabkommen.

Das Interview

Kab-online: Eine Expertengruppe der Kommission der Deutschen Bischofskonferenz hat eine Stellungnahme zu TTIP veröffentlicht.
Was sind die zentralen Inhalte und die Stoßrichtung?

Dr. Michael Schäfers: Die Expertengruppe hat sich sehr umfassend mit TTIP auf sozialethischer Grundlage beschäftigt und macht grundlegende Reformvorschläge. Zentral geht es dem Papier um eine Folgenabschätzung und Vorschläge dazu, wie die zu erwartenden negativen Auswirkungen von TTIP zumindest gemildert werden können. Zudem werden zahlreiche Vorschläge gemacht, um die Verhandlungen in eine andere Richtung zu lenken und gerechte Regelungen zu erreichen. 

Es ist eine Stellungnahme, die auf Politikberatung abstellt. Die guten Vorschläge sollen von den Verhandlungspartnern aufgenommen werden. Die Experten setzen auf eine "Bekehrung" der Verhandelnden…

kab-online: …und die zentralen Inhalte?

Schäfers: Die Stellungnahme greift die zentralen Punkte auf, die im Kontext von TTIP bzw. von Freihandelsabkommen diskutiert und angegangen werden müssen.  Also die Bedeutung eines fairen Wettbewerbs, die Gestaltung eines sozialen Ausgleichs, Verbesserungen der internationalen völkerrechtlichen Regelungsinstanzen. 

Weitere, für uns wichtige Punkte sind die Möglichkeiten zum Schutz und zur Verbesserung bestehender Standards statt deren Aushöhlung, Einbeziehung von „Drittländern“ bzw. des globalen Südens in gerechte und faire Handelsstrukturen, Abbau der zerstörerischen EU-Subventionen für heimische Märkte sowie die besondere Bedeutung und der Schutz der öffentlichen Daseinsvorsorge. 

Das ist erst mal gut so, denn damit versucht die Expertengruppe in die laufenden Diskussionen einzugreifen.

Kab-online: Das sind gerade Punkte, die die KAB gerade an TTIP kritisiert oder?

Schäfers: Ja, denn auch wir fordern wie die Expertengruppe zum Beispiel deutlich mehr Transparenz, die Bundestagspräsident Norbert Lammert jüngst ebenfalls erneut angemahnt hat. Die entscheiden sollen und müssen, wissen weniger als die Großkonzerne in den USA, die offensichtlich kräftig an dem Verhandlungstext mitschreiben nach allem, was bekannt ist…

Kab-online: Dann ist doch alles gut oder…

Schäfers: … eben nicht, denn die Expertengruppe begrüßt TTIP und glaubt daran, dass sich der Prozess und die Verhandlungen noch umbiegen lassen. Das ist eine Illusion, denn die Verhandlungsrichtung ist, nach allem was durch inoffizielle Dokumente und offizielle Informationen bekannt ist, festgelegt, nämlich ein Abkommen zu schließen, das zum Vorteil der multinationalen Unternehmen und soziale und arbeitsrechtliche Standards zu schleifen. Bundestag und ggf. Bundesrat können dann nur noch ja oder nein sagen.

Die Expertengruppe will ein „gutes TTIP“ zum Vorbild machen für mögliche weitere Handelsabkommen. TTIP sozusagen als Leuchtturm für einen fairen und gerechten Welthandel. Nichts deutet darauf hin, dass dies eintreten wird, mal abgesehen von kleinen Korrekturen, die seitens der amerikanischen Seite nicht mitgetragen werden.

Wir kommen zu völlig anderen Schlussfolgerungen als die Expertenkommission, nämlich TTIP zu stoppen, die Verhandlungen zu beenden und einen Neustart für einen fairen, transparenten und offenen demokratischen Prozess zu starten.

Wenn die Expertengruppe ihre weitreichenden und zutreffenden Bedenken ernst nehmen würde, müsste dies eigentlich auch eine Schlussforderung sein. Aber das Urteil geht in eine völlig andere Richtung. Hier ist eine der Schwächen des Papiers. Die realen politischen Machtverhältnisse werden nicht kritisch hinterfragt… Optimismus statt Realismus…

Kab-online: …weitere Kritikpunkte sind?

Schäfers: Hinsichtlich der Folgenabschätzung von TTIP geht die Expertengruppe davon aus, dass es Gewinner und Verlierer geben wird. Die Verlierer sollen durch ausgleichende soziale Maßnahmen entschädigt werden, wie etwa Mittel aus EU-Sozialfonds usw. Im Klartext also finanzielle Mittel, die durch Steuern der Bürgerinnen und Bürger ausgeglichen werden sollen.

Die Gewinner bleiben dagegen unbehelligt, dürfen ihre Gewinne einstreichen, während die Allgemeinheit für die Verluste bzw. durch TTIP angerichteten Schäden aufkommen soll. Installiert bzw. ausgeweitet werden soll der Staat und die EU als Reparaturbetrieb des Kapitalismus – wie Peter Glotz das mal genannt hat. Den Gewinnern wird so ein Freibrief zur Fortführung der weltweiten Handelsspaltungspolitik ausgestellt, zumindest muss von einer Schonungspolitik für Profiteure gesprochen werden. Zu erwartende Schäden dürfen zuerst einmal angerichtet werden, um dann im Nachhinein durch sozialstaatliche Ausgleichspolitik wieder ins Lot gebracht zu werden.

Das erscheint mir völlig unsinnig. Warum soll man einen Vertrag schließen, bei dem man im Vorhinein schon weiß, welchen Pferdefuß er enthält, welche Schäden er anrichten wird und wer die zu entschädigenden Verlierer sind? Sie kaufen ein Haus, wo sie jetzt schon wissen, dass es solche Schäden hat, dass es wieder abgerissen werden muss. Das entbehrt doch jeder Logik für ein gutes Ver-tragswesen…

kab-online: ...und noch eine letzte Frage; diese Stellungnahme bezieht sich immer wieder auf die Soziallehre der Kirche und zitiert am Schluss deren Grundeinsichten, dass " die Wettbewerbsfreiheit (....) unmöglich regulatives Prinzip der Wirtschaft sein (kann)" (S.56).
Am Ende wird aber das Abkommen begrüßt unter Beachtung regulatorischer Maßnahmen.
Die KAB als größter katholischer Sozialverband in Deutschland bezeichnet die Soziallehre der Kirche als Fundament ihres Wirkens und lehnt nicht zuletzt aus ihrer Deutung derselben dieses Freihandelsabkommen radikal ab.
Wie ist diese Diskrepanz  zu erklären? 

Schäfers: Die Soziallehre der Kirche geht von Prinzipien aus, die der Konkretisierung in soziale und politische Kontexte hinein bedürfen. Es ist legitim, hieraus zu unterschiedlichen Antworten und Schlussfolgerungen zu kommen. Dann muss der Dialog darüber beginnen, was die besten Lösungen sind.

Nicht zuletzt deshalb hat Papst Franziskus alle Menschen zu einem breiten Dialog über „Laudato si“  eingeladen. Lösungen fallen nicht vom Himmel, sondern sind auch das Ergebnis konkreter Erfahrungen. Und als Teil einer internationalen Bewegung sehen wir als KAB, was der Freihandel trotz bestehender Verträge derzeit weltweit anrichtet.

TTIP halten wir deshalb nicht für ein geeignetes Mittel, um hier Abhilfe zu schaffen, denn es geht komplett in die falsche Richtung.

Das Dokument findet sich als Download im Internet unter http://www.butzon-bercker.de/media/files_oeffentlich/DBK_1243.pdf

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